Wie lernen wir wieder – konkret! – Demokratie??

 Ein Konzept für die tatsächliche Praxis

„Das Gesetz der inneren Grenze“:
Einsatz der vier Korrektiv-Karten Tempo, Klarheit, Verantwortung und Veto

Menschen können kooperieren oder konkurrieren. Beides zusammen geht nicht. Wenn ich in Konkurrenz zu jemandem stehe, verfolge ich eine fundamental andere Strategie, als wenn ich mit jemandem kooperiere.
Unser derzeitiges Schulsystem begünstigt Konkurrenzverhalten.
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus – persönlich für die Heranwachsenden und insgesamt für unser gesellschaftliches Zusammenleben?

In Konkurrenzgesellschaften ist die ursprünglich von Adam Smith nur für das Wirtschaftsleben formulierte These, dass das Streben nach partikularem Eigennutz und die sich daraus ergebende Konkurrenz auf Märkten den allgemeinen Wohlstand fördere, praktisch zu einer allgemeingültigen Werttheorie umgedeutet worden. Nach ihr sind individuelle Nutzenmaximierung und Durchsetzungsfähigkeit in Konkurrenzen ohne weitere Rechtfertigung an sich gut und dienen angeblich in allen gesellschaftlichen Bereichen der Optimierung.

Die auf der Grundlage dieser Werttheorie operierenden Erziehungssysteme haben entsprechend einen narzisstischen Persönlichkeitstyp begünstigt, der nur eine verminderte Fähigkeit zur Empathie und Vertrauensbildung besitzt, jedoch einen starken Willen zur Durchsetzung eigener Interessen.

Daraus resultiert eine wachsende Entsolidarisierung, die zu Motivationsverlust, Entfremdungsgefühlen und mangelndem Interesse an wertschöpfender, über die eigenen persönlichen Interessen hinaus weisender Arbeit führt. Bildung wird in diesem Zusammenhang zu einer streng individuellen Investition in möglichst günstige Ausgangsbedingungen im allgemeinen Konkurrenzkampf.

Sofern schulische Ausbildungs- und Anreizsysteme vor allem Personen fördern, die auf ihren persönlichen Erfolg in der Konkurrenz blicken, unterminieren sie selbst das Projekt modernen Gesellschaftswachstums.

Die zunehmende narzisstische Vereinzelung führt spürbar zu einem Verschwinden der vier demokratischen Kernkompetenzen:

1  EMPATHIE: Die Fähigkeit, sich in die Perspektive anderer hineinzuversetzen.

2  TOLERANZ: Die Anerkennung fremder Lebensentwürfe, die NICHT den eigenen Vorstellungen entsprechen.

3  VERTRAUEN: Die Fähigkeit, mit anderen auf verschiedensten Ebenen zu kooperieren, auch, wenn die anderen unterschiedliche Lebensentwürfe verfolgen.

4  IDENTIFIKATION: Der Wille und die Kreativität, GEMEINSCHAFTLICHE Ziele zu entwickeln und zu verfolgen, die über die eigenen privaten Interessen hinausgehen.

Die Auswirkungen dieser Entwicklungen sind deutlich spürbar sowohl bei den Jugendlichen in den Schulen (vermehrte Verhaltensauffälligkeiten und soziale Störungen), bei den Auszubildenden am späteren Arbeitsplatz und in seiner stärksten Form bei zunehmend populistisch und antidemokratisch agierenden Randgruppen in unserer derzeitigen Gesellschaft:

Es fehlt die Fähigkeit, sich ganzheitlich mit anderen und mit der eigenen gesellschaftlichen Aufgabe in Beziehung zu setzen. Dies bedeutet langfristig eine Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und insgesamt die Gefährdung unserer demokratischen, aufgeklärten Gesellschaft.

Hier setzt das partizipative Konzept von ACT e.V. an. Durch die professionelle und konkrete Etablierung einer wertschätzenden und inklusiven Kommunikations- und Beziehungskultur werden bei allen Teilnehmenden die vier demokratischen Kernkompetenzen nachhaltig ausgebildet und in zahlreichen Erfahrungs-Spielräumen konkret erlebbar gemacht.

Auf diese Weise entsteht ein Resonanzraum der Selbstwirksamkeit, im Sinne eines spürbaren »Wärmebeckens«, der es jedem teilnehmenden Menschen ermöglicht, sich in Beziehung zu setzen zu sich selbst, zu den anderen und zur Welt.

Dies geschieht durch die vier folgenden Arbeitsprinzipien:

A) Schaffung eines bewertungsfreien Raumes:

  • Vielfältige verbale und non-verbale und individuelle Erfahrungen werden zugelassen, ohne diese zu werten oder zu bewerten.

B) Offenheit und Vertrauen:

  • Interaktionen und Beiträge werden ermöglicht, die es erlauben, alle Stärken und Talente sichtbar zu machen, auch die der Zurückhaltenden oder der Kritischen oder derer, die sich zunächst von der Mehrheit ausgeschlossen fühlen.
  • Entscheidungs- und Verteilungsprozesse werden offengelegt, dies erhöht die Identifikation aller Beteiligten mit den Entscheidungen.

C) Biografische Basis:

  • Themen, Fragen und Inhalte von den unmittelbaren Lebenswelten der Jugendlichen werden zum Ausgangspunkt gemacht.

D) Learning by doing:

  • Verständnis braucht Praxis, Lernen braucht Erfahrung, Entwicklung braucht Selbstbeobachtung.
  • Wir lernen, weil wir agieren und Probleme lösen wollen.

Wenn viele und sehr verschiedene Menschen miteinander kooperieren wollen, müssen sie zunächst einmal verstehen lernen, wo der andere steht, wer der andere ist, was der andere will und kann, bzw. nicht will und nicht kann. Wie können das die einzelnen Mitglieder einer Gruppe heraus finden? Alle kennen das Konkurrenzsystem und rechnen immer mit Bewertungen. Daher sind alle Meister der Verstellung und verstecken ihre vermeintlichen Schwächen.

Allerdings verstecken sie auch ihre Stärken, weil sie diese gar nicht für Stärken halten. Das bewertende Verhalten hat uns alle so sehr deformiert, dass wir verlernt haben, unseren eigenen Impulsen zu folgen und unsere Bedürfnisse überhaupt als Bedürfnisse wahr zu nehmen.

In einem System, in dem allen klar ist, was erwünscht ist und was nicht, sortieren sich alle auf einer Skala zwischen Anpassung und Rebellion. Dabei geht das intuitive Gefühl für die eigenen Bedürfnisse, Interessen und Begabungen verloren.

Kurz gesagt: Das eigene Potenzial liegt brach. Alle sind entweder damit beschäftigt, sich im Hinblick auf die vorgegebene Norm zu »optimieren« oder aber gegen die vorgegebene Norm zu rebellieren.

Um dieses System auszuhebeln und die Jugendlichen wieder dafür zu trainieren, ihren eigenen inneren Impulsen zu folgen und sie auf diese Weise in ihrem individuell einzigartigen Potenzial zu bestärken, braucht es ein wirkmächtiges, konkretes Konzept. Ohne ein solches sind wir auch als Anleitende schnell verloren, da wir das bewertende System unserer Gesellschaft selbst internalisiert haben und noch nicht geübt darin sind, jedem Menschen individuell angemessen zu begegnen.

Eine der wesentlichen Konzept-Koordinaten (neben der Statuslehre und dem Theatralen Mischpult) ist das sogenannte »Gesetz der inneren Grenze«:

Es macht die grundsätzliche Tatsache transparent, dass jeder Mensch von unterschiedlichen Erfahrungen, Grundbedürfnissen, Ängsten und Erartungen ausgeht, und dass jeder Mensch ein RECHT auf diese individuelle Ausgangssituation besitzt.

Die Arbeit beispielsweise mit dem Theatralen Mischpult bietet von Anfang an die Möglichkeit, sich selbst zunächst überhaupt erst einmal dafür zu sensibilisieren: Wo erlebe ich innere Widerstände? Was MÖCHTE ich tun und was nicht? Sind mir die Gründe für meine inneren Widerstände bekannt?

Durch den Einsatz der »Karten zur demokratischen Führung« (siehe unten) haben die Spieler_innen jederzeit die Möglichkeit, eigene Wahrnehmungen und Bedürfnisse und persönliche Grenzen und/oder Widerstände an die Regisseure zurück zu melden.

Einerseits trainieren sie dabei, ihre eigenen Empfindungen bewusst wahr zu nehmen und zu kommunizieren, andererseits helfen sie den Regisseuren dabei, ihre Spieler_innen besser kennen zu lernen und besser einschätzen zu können, wo sie eventuell »innere Grenzen« der Spieler_innen überschreiten.

Im gemeinsamen Spiel entsteht ein vorsichtiges Ausloten der gegenseitigen Voraussetzungen und Bedürfnisse und damit größere Sicherheit und Souveränität in der gegenseitigen Führung und Anleitung.

Die inneren Grenzen der Spieler_innen sind bei allen grundverschieden. Was für den einen völlig ok bzw. einfach ist, mag für den anderen »unmöglich zu ertragen« sein bzw. viel zu schwierig.

Dazu Slavoj Zizek:

»Es gibt (für jeden Menschen) Dinge, die unmöglich zu ertragen sind, ›l’ìmpossible-a-supporter‹, wie Jaques Lacan es genannt hat. (…) Toleranz ist dafür keine Lösung. Was wir brauchen, ist eine übergeordnete Leitkultur, die regelt, auf welche Weise die Subkulturen interagieren. Der Multikulturalismus mit seinem wechselseitigen Respekt für die Empfindlichkeiten des anderen funktioniert nicht mehr, wenn es zu diesem ›impossible-a-supporter‹ kommt. Strenge Muslime finden unsere blasphemischen Bilder und unseren rücksichtslosen Humor, die für uns einen Teil unserer Freiheit ausmachen, unmöglich zu ertragen. Genauso finden westliche Liberale Praktiken wie die erzwungene Eheschließung oder das Wegsperren der Frau, die Teil des gelebten Islam sind, unmöglich zu ertragen. (Oder Witze über den Holocaust) … Deshalb sage ich als Linker: Wir müssen für unsere eigene Leitkultur kämpfen. Die europäische Leitkultur ist der Universalismus der Aufklärung, in dem die Individuen sich zu sich selbst als universell verhalten. Das heißt, sie müssen fähig sein, von ihrer Besonderheit abzusehen, ihre partikulare soziale, religiöse oder ethnische Position zu übergehen. Es reicht nicht, einander zu tolerieren. Wir müssen unsere eigene kulturelle Identität als etwas Kontingentes, als etwas Zufälliges, etwas Veränderbares erfahren können. (…) Unsere Identität besteht aus mehreren Identitäten, die nacheinander und nebeneinander existieren können. (…) Die einzige Möglichkeit zur Autonomie ist die Entwurzelung, das Herausreißen aus dem Anpassungszwang der Gemeinschaft. (…) Der Fortschritt der westlichen Demokratie besteht darin, den Raum der Universalität nach und nach zu erweitern und damit auch die Wahlmöglichkeiten zwischen meinen kontingenten Entscheidungen zu vervielfältigen. (…) wir müssen uns bemühen, uns die Fragen neu zu stellen, über die gesellschaftlichen Bedingungen für das Ausüben persönlicher Freiheitsrechte zu reflektieren. (…) Das ist unser Kampf heute, Wikileaks eingeschlossen – diesen öffentlichen Raum lebendig zu halten. (…) Der Zusammenstoß der Kulturen sollte nicht durch einen gefühlten globalen Humanismus überwunden werden, sondern durch die übergreifende Solidarität mit den Kämpfenden innerhalb jeder Kultur. Unser Kampf für Emanzipation (und Autonomie) sollte mit dem Kampf gegen die Kasten in Indien, mit dem Widerstand der Arbeiter in China verbunden werden. Alles hängt hiervon ab: Der Kampf für die Palästinenser und gegen den Antisemitismus, Wikileaks und Pussy Riot, alle sind sie Teil desselben Kampfes. Wenn nicht, können wir uns einfach alle umbringen.«

Slavoj Zizek im Spiegel, Nr. 12, 14.03.2015, »Unsere Trägheit ist die größte Gefahr«, S. 134

Die Einführung des »Gesetzes der inneren Grenze« ermöglicht es, wertfrei mit den individuellen Voraussetzungen, Widerständen und Stärken der Spieler_innen umzugehen und auf diese Weise jede einzelne Person zur Selbstverantwortung und zur EIGENEN Arbeit an den »inneren Grenzen« zu motivieren.

Das könnte man mit einem persönlichen Fitness-Training vergleichen: Wenn jede für sich weiß, wo sie steht, kann sie sich jeweils die eigene nächste Herausforderung suchen, wie den nächsten Schwierigkeitsgrad (Level) in einem Spiel.

Die »inneren Grenzen« der Spieler_innen werden sowohl im Spiel mit dem Theatralen Mischpult, als auch in zahlreichen anderen Übungen immer weiter trainiert und thematisiert.

Auf diese Weise »lernen« Jugendliche Autonomie und Selbstbestimmung. Dies ist die Grundvoraussetzung, um wiederum andere in ihren »Eigenarten« respektieren zu können:

Nur, wenn das Eigene nicht in Frage gestellt ist, nicht ängstlich verteidigt werden muss, kann ich den inneren Raum entwickeln, anderen zuzuhören und ihnen zu begegnen – und dadurch eventuell Eigenes auch wiederum modifizieren, verändern.

Um die »inneren Grenzen« (sowohl die eigenen als auch die der anderen) spürbar zu machen und den sensiblen Umgang damit zu trainieren, bieten sich auch Spiele wie »Flaschendrehen« oder »Wahrheit oder Pflicht« an: Die Spieler_innen müssen abwägen: Kann ich diese persönliche Frage (Wahrheit) meinem Gegenüber zumuten oder überschreite ich damit seine »innere Grenze«?

Oder, wenn mein Gegenüber sich für »Pflicht« entscheidet: Kann ich meinem Gegenüber diesen Auftrag zumuten, wird sie/er Spaß daran haben, ihn auszuführen, oder überschreite ich ihre/seine innere Grenze?

Während des Spiels »Wahrheit oder Pflicht« werden diese Überlegungen auch gemeinsam mit der Gruppe offen gelegt. Ziel ist es für alle, »geniale Regisseure« im Sinne einer demokratischen, klugen Führung zu werden, die die Stärken aus ihren Spieler_innen »herauskitzeln« können, da sie deren innere Grenzen hochsensibel und facettenreich kennen und einschätzen können und ihnen somit einen optimalen Raum zur individuellen Entfaltung erschaffen.

Genau dies offen mit den Jugendlichen zu thematisieren bewirkt eine hohe Motivation:

Allen scheint schon immer klar gewesen zu sein, dass »fünf Regeln für ALLE« nur ungerecht sein können und dass in Wahrheit jeder Mensch ein kleines, komplexes Universum ist, das sich von allen anderen NATÜRLICH unterscheidet.

Herauszufinden, wo die inneren Grenzen der anderen sind und die eigene Führung behutsam zwischen angenehmer Herausforderung und Überforderung ausbalancieren zu können, stellt für Jugendliche ein sehr spannendes und motivierendes Ziel dar.

Das »Gesetz der inneren Grenze« spielt in allen Phasen des Prozesses eine Rolle: in der Gruppenarbeit, bei der Generierung biografischen Materials, beim gemeinsamen Spielen und Inszenieren, beim Präsentieren einzelner Szenen und beim regelmäßigen Feedback, usw.

Das Motivationsgeheimnis des »Gesetzes der inneren Grenze« liegt darin, dass es nicht darum geht, dass »alle Respekt vor den anderen zeigen sollen« – das ist für einen 15-Jährigen kein besonders attraktiver Auftrag. Sondern, dass es darum geht, eine »geniale Regisseurin zu werden«, die ihre Gruppe »wie von Geisterhand« zur Höchstleistung führt.

Das Ziel, »gut zu führen« ist von der moralischen, nämlich pädagogisierenden Last befreit. Genau deshalb führt das »Gesetz der inneren Grenze« zu einer wertschätzenden und stärkeorientierten Arbeitskultur, die jede_n einzelne_n zur individuellen Hochform auflaufen lässt.

Im Folgenden wird die Arbeit mit dem Theatralen Mischpult unter Verwendung der vier »Karten zur demokratischen Führung« beispielhaft beschrieben:

Das »Gesetz der inneren Grenze« bei der Arbeit mit dem Theatralen Mischpult:

Das Ziel wird transparent gemacht: Die Mischpult-DJs (die Regisseure) sollen sich mit Hilfe der Spielleitung, die anfangs als wertschätzendes Korrektiv daneben stehen sollte, zu »genialen Regisseuren« entwickeln.

Daraus folgt: Sie müssen ihre Anweisungen so geben, dass die Spieler_innen Spaß haben und weder unter- noch überfordert sind.

Der Misch-DJ muss ein Gefühl für das richtige Tempo entwickeln (Karte »Tempo«) und darf nicht zu viele Anweisungen auf einmal kombinieren (Karte »Klarheit«). Klarheit bedeutet: Die Regisseurin muss für ihre Spieler_innen verständlich, also BARRIEREFREI kommunizieren.

Tut sie das nicht, dann entsteht Verwirrung, Frustration und das Spiel kommt aus dem Fluss. Andererseits darf der Mischpult-DJ auch nicht zu lange Pausen zwischen den Anweisungen machen, dann langweilen sich die Spieler_innen (Karte »Tempo«).

Und er muss wertschätzend mit den Spieler_innen umgehen, das heißt: Es ist keine gute Idee, die Spieler_innen ewig lange kriechen zu lassen oder Anweisungen zu geben, die keiner ausführen will (zum Beispiel zu viel Körperkontakt oder »Kontakt-Impro mit Zunge«…).

Wenn solche Anweisungen gegeben werden, die die Jugendlichen demütigen oder ärgern oder die in irgendeiner Weise grenzüberschreitend sind, dürfen die Spieler_innen »Veto« rufen und sich auf den Boden setzen.

Erst, wenn es für sie wieder ok ist, steigen sie in das Spiel wieder ein. Die Möglichkeit, sich zu verweigern, ist von Anfang an gegeben und Teil des Konzepts.

Auf diese Weise erhält der jeweilige Mischpult-DJ ein sehr konkretes Feedback, wie »er gewesen ist«: War die gesamte Gruppe motiviert, sind gute Bilder und Aktionen entstanden, hatten alle Spaß – dann war er erfolgreich.

Dies muss die Spielleitung deutlich moderieren und zum Thema machen, damit die Mischpult-DJs immer besser und sensibler anleiten lernen.

Für die Arbeit mit dem Theatralen Mischpult werden folgende vier Karten für die demokratische Führung »gebastelt« und zum Mischpult dazu gelegt:

Die vier Karten zur demokratischen Führung:

Tempo: Diejenigen, die den Spieler_innen im Raum Bewegungsvorschläge ansagen (die »Mischpult-DJs«) müssen die Spieler_innen im Raum »bei Laune halten« – das heißt: Sie müssen in schneller Folge immer neue Ansagen machen, damit es nicht langweilig wird und das Spiel ein hohes Tempo behält.

Klarheit Rückseite: Die Mischpult-DJs müssen ihre Ansagen klar formulieren und darauf achten, dass ihre Bewegungsvorschläge verständlich und gut umzusetzen sind. Wenn sie zu viele verschiedene Vorschläge kombinieren und die Spieler_innen im Raum überfordern oder zu leise, beziehungsweise zu undeutlich sprechen, dürfen diese laut »Klarheit« rufen, um die DJs darauf hinzuweisen, dass sie gerade überfordert sind, etwas nicht verstanden haben und sich mehr Klarheit wünschen.

Verantwortung: Die Mischpult-DJs müssen darauf achten, dass ihre Spieler_innen im Raum sich wohl fühlen und nichts ausführen müssen, das ihnen unangenehm ist oder das sie als Demütigung empfinden. Die Karte »Verantwortung« ist ein Korrektiv, um die Mischpult-DJs dafür zu sensibilisieren, dass sie sich in einer Machtposition befinden, die unter keinen Umständen ausgenutzt werden darf.
Die DJs müssen ein Gefühl dafür entwickeln, was sie ihren Spieler_innen zumuten können und wo die Grenzen sind zwischen »Fordern« und »Überfordern« – und zwischen »Demut« (der eigenen Machtposition gegenüber) und »Demütigung der Ausführenden« (die unter allen Umständen zu vermeiden ist!). Sie müssen ein Gefühl dafür entwickeln, wo die Grenzen der anderen sind und spüren lernen, wo sie eventuell grenzüberschreitend agieren.
Eine Regisseurin, die über die Bedürfnisse ihrer Spieler hinweg agiert, ist eine schlechte Regisseurin. Beispiel: Wenn die Mischpult-DJs ihre Spieler_innen unverhältnismäßig lange kriechen lassen und ständig rufen »Fallen!« und »Wieder aufstehen!«, »Fallen!« und »Wiederaufstehen!«, usw., und einzelne Spieler_innen dies als übergriffig und demotivierend empfinden, dann dürfen sie den DJs laut zurufen: »Verantwortung!«. Durch dieses Korrektiv lernen die DJs, wie sie ihre Bewegungsaufträge optimaler ausbalancieren können – den Bedürfnissen und der Motivation ihrer Spieler_innen entsprechend.

Veto: Die Karte »Veto« ist als letzte Stufe des Protests gegen einen übergriffigen Mischpult-DJ gedacht und somit als Schutz für einzelne Spieler_innen. Wer sich von den Ansagen der DJs überfordert oder nicht ausreichend verantwortungsvoll angeleitet fühlt, darf »Veto« rufen, sich spontan auf den Boden setzen und die weitere Teilnahme auf diese Weise verweigern – und zwar so lange, bis wieder Ansagen kommen, die die jeweilige Spielerin für sich vertreten kann und die sie auch ausführen möchte. (Mischpult-DJs, die gerne wissen möchten, was das »Veto« ausgelöst hat, können im Anschluss an das Spiel die jeweilige Spielerin noch mal um ein konstruktives Feedback bitten: Was habe ich gemacht, dass du »Veto« rufen musstest?) Aber schon die Möglichkeit, die »Veto«-Karte zu nutzen ist eine Chance, sich ständig weiter zu trainieren: Sich zunehmend für die eigenen und die Grenzen der anderen zu sensibilisieren – sowohl für die Spieler_innen selbst (Wo sind MEINE Grenzen?) und für die Choreografen (Wo sind die individuellen Grenzen meiner Spieler_innen?).

Das Gesetz der inneren Grenze ist ein konzeptionelles Instrument, das den vorhandenen Reichtum von Diversität hervorbringt und individuelles Potenzial bestärkt. Das Gesetz der inneren Grenze etabliert als Grundvoraussetzung dafür eine Kultur der Kooperation – statt der Konkurrenz.